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Armut - auch im „reichen“ Kreis Pinneberg


Fachtagung am 03.09.2019

Menschen mit geringem Einkommen werden statistisch schneller krank und sterben früher / Wer arm ist, leidet eher unter Herzerkrankungen, chronischer Bronchitis und Diabetes | Kreisweite Fachtagung zum Thema „Armut-soziale Ungleichheit-Gesundheit“ anlässlich der 100 Jahre Feier

Das Durchschnittseinkommen im Kreis Pinneberg ist verhältnismäßig höher, die Arbeitslosenquote geringer und die Krankheitstage halten sich in Grenzen. Dennoch gibt es auch zwischen Wedel und Osterhorn immer noch viele Menschen und Familien, die von weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. „Jeder Einzelne, der Flaschenpfand aus Mülltonnen sammeln muss, um sich durchzubringen, ist Einer zu viel“, brachte es der AWO-Kreisvorsitzende Hans-Jürgen Damm auf der Fachtagung in Elmshorn am 3. September anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Arbeiterwohlfahrt auf den Punkt.

Zuvor hatte der Schirmherr der Veranstaltung, Landrat Oliver Stolz, an die Geschichte der AWO erinnert und auch auf die Bedeutung des Themas hingewiesen: „Es ist Zeit, endlich mal über das Thema Armut zu reden.“ Der Bürgermeister der Stadt Elmshorn Volker Hatje verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass vor allem alleinerziehende Frauen unter die Armutsgrenze fielen. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Ernst- Dieter Rossmann wies hingegen auf einen Grundgedanken der Arbeiterwohlfahrt, nämlich der Selbsthilfe hin. Es sei an der Zeit, die eigenen Interessen und Solidarität der Betroffenen untereinander zu fördern.

In einem bemerkenswerten Impulsvortrag zeigte Privatdozent Dr. Thomas Lampert vom Robert Koch Institut Berlin den Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit auf, die mittlerweile durch breit angelegte Studien erwiesen ist. „Je höher das Einkommen, desto geringer ist statistisch die Wahrscheinlichkeit, vor dem 65. Lebensjahr zu sterben. Auf der anderen Seite leiden Menschen unterhalb der Armutsgrenze eher unter verschiedenen chronischen Erkrankungen“, sagte der Experten vom Robert Koch Institut. Bei Frauen sei der Unterschied sogar besonders hoch. In Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen werde mehr geraucht; außerdem litten mehr unter Fettleibigkeit (Adipositas). „Gerade da, wo unsere Einstellungen und Verhaltensweisen chronische Erkrankungen verhindern könnten, ist der Unterschied besonders groß“, sagte Dr. Lampert. Auch der Trend verheißt wenig Gutes: Die Lebenserwartung der Menschen in den höheren Einkommensgruppen steigt schneller an als bei Männern und Frauen unterhalb der Armutsgrenze. „Diese gesundheitliche Ungleichheit ist daher eine zentrale Herausforderung für die Gesundheitspolitik“, schloss der Referent.



Fakten, die für ganz Deutschland gelten, lassen sich auch auf den Kreis Pinneberg herunterbrechen. Das verdeutlichte Robert Schwerin, Leiter der Stabsstelle Sozialplanung und Steuerung, von der Kreisverwaltung. Demnach liegt die Kinderarmut hier bei 14,5 Prozent und die Jugendarmut bei 9,5 Prozent. Doch die Verteilung ist in den 49 Kommunen sehr ungleichmäßig und schwankt z.B. im Bereich der Bedarfsgemeinschaften (ALGII) zwischen 0,2 und 13,1 Prozent. Um diese unterschiedliche Verteilung von Armut im Kreisgebiet darzustellen hat die Sozialplanung des Kreises Pinneberg die Sozialformel entwickelt. Die Sozialformel verdeutlicht dabei soziale Unterschiede innerhalb des Kreisgebietes und zeigt auf, in welchen Räumen erhöhte Bedarfe bestehen. Der Referent plädierte daher für regional unterschiedliche Lösungen. Auch Herr Dr. Lampert lobte die Sozialplanung für die detaillierte Analyse der sozialen Gegebenheiten im Kreis Pinneberg und die Sozialberichtserstattung.

Wer sich ein genaues Bild von der sozialen Situation im Kreis machen möchte, kann den entsprechenden Bericht der Stabsstelle im Internet unter der folgenden Adresse herunterladen: https://www.kreis-pinneberg.de/Sozialplanung unter dem Menüpunkt „Informationsmaterialien“ oder diesen in der iOS App im AppStore unter dem Stichwort: „Sozialplanung“ finden.

Im Anschluss an die nachfolgenden Sitzungen von vier thematisch unterschiedlichen Arbeitsgruppen stellten die Moderatoren die Ergebnisse im Plenum vor.


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Gesa Kitschke, bei der AWO Schleswig-Holstein für den Bereich Kindertagesbetreuung zuständig, erläuterte Voraussetzungen, die erfüllt werden sollten, um die Situation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Dazu zählt unter anderem die kostenfreie Ausgabe von regionalem, saisonalem und klimabewusstem Essen in Kindertagesstätten und Schulen, Beitragsfreiheit bei den Kitas und Einzelmaßnahmen, wie Betreuungsangebote für Kinder mit Müttern in der Ausbildung. Rainer Adomat vom Verein für diakonische Hilfen stellte die Gründe für Arbeitslosigkeit dar und mahnte eine bessere Kooperation der Hilfsorganisationen untereinander an. Für die Arbeitsgruppe „Armut im Alter“ stellte Miriam Otto, Verbandsreferentin für Sozialpolitik bei der AWO Schleswig-Holstein, die Wohnungsproblematik in den Mittelpunkt der Überlegungen. Sie forderte das Wiederaufleben von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, die Anhebung des Mindestlohns und die Abschaffung der „Teilzeitfalle“. Abschließend kam die Arbeitsgruppe „Psychische Erkrankungen“, geleitet von Dr. Rolf-Dieter Kanitz, Leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Regio Kliniken Elmshorn, zu Wort. Neben der ebenfalls erwähnten Wohnungsnot, unter der psychisch Erkrankte leiden, plädierten die Mitglieder dieser Gruppe für eine verstärkte Prävention sowie für eine Vereinfachung der komplexen Hilfesysteme.

Die Einnahmen der Tagung von insgesamt 1200 Euro gingen an die  „Offene Praxis SOZIUS“. Der gemeinnützige Verein verhilft Menschen, die nicht krankenversichert sind, zu einer ärztlichen Versorgung. Betroffene sind zum Beispiel Selbstständige, die ihre Krankenversicherung nicht mehr bezahlen können, oder Menschen, deren Aufenthaltsstatus in Deutschland ungeklärt ist.

Die Fachtagung fand einen großen Zuspruch. Ca. 100 Teilnehmer aus sozialen Einrichtungen, Verwaltung und Politik kamen, um sich über die Zusammenhänge zwischen Armut- soziale Ungleichheit und Gesundheit zu informieren und zu diskutieren. „Das Thema“, so resümiert der Kreisvorsitzende Hans-Jürgen Damm, „wird uns alle auch zukünftig weiter beschäftigen“.

Der AWO Kreisverband Pinneberg setzt sich für eine sozial gerechte Gesellschaft ein. Das Ziel verfolgt der Verband durch ehrenamtliches Engagement als Ergänzung zu den professionellen Dienstleistungen.

Das Selbstverständnis ehrenamtlicher Tätigkeit der AWO basiert auf der Idee einer lebendigen Bürgergesellschaft. Der AWO Kreisverband Pinneberg hat derzeit 13 Ortsvereine und 1600 Mitglieder.

 
Bildinformation: © Kienitz/AWO (Bild Fachtagung_05 Kreis Pinneberg)
Pressemitteilung der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Pinneberg e.V. vom 06.09.2019 


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